Wer keine Wahl hat, hat die Qual: Werkstattbindung im Kaskobereich

Seit langem ist die KFZ-Versicherung für die Versicherer ein Defizitgeschäft. Der Preiskampf ist ernorm und die Wechselbereitschaft der Kunden hoch, da jedes Jahr zum Ende November die bestehende Versicherung gekündigt werden kann. Zeit also für die Versicherer, auf die Kostenbremse zu drücken und den Versicherten das Konzept der "Werkstattbindung" anzubieten. Wo die Fallstricke für den Autofahrer lauern und was es zu beachten gilt, schildert dieser Beitrag.

Gründe eine Kaskoversicherung abzuschließen, gibt es viele. So sichert die Teilkaskoversicherung das Fahrzeug gegen einen Diebstahl ab, auch Beschädigungen der Verglasung und bestimmte Unfälle mit (Wild-)Tieren sind versichert. Die Vollkaskoversicherung beinhaltet die Teilkasko, zusätzlich sind u.a. Schäden durch selbstverschuldete Unfälle versichert.

Doch wer denkt, im selbstverschuldeten Schadensfalle einfach "in die Werkstatt um die Ecke" zu fahren, um den Schaden beheben zu lassen, der kann gewaltig irren. Mit klagvollen Namen wie "Kasko SELECT", "KaskoDirekt", "Kasko-Service" oder "WerkstattDirekt" bieten die Versicherer den Kunden Rabatte auf den Preis des Kaskoanteils an. Gebunden an diesen Spezialtarif - oftmals auch als Werkstattbindung bezeichnet - ist die Beschränkung des Versicherungsnehmers an sogenannte Partnerwerkstätten der Versicherung. Dabei handelt es sich um Werkstätten, die den Versicherungen Rabatte auf Ersatzteile und den Arbeitslohn einräumen, um im Gegenzug Reparaturaufträge durch die Versicherung zugespielt zu bekommen.

Als Lockmittel für den Versicherungsnehmer bieten die Versicherungen ca. 5%-20% Rabatt auf die Kosten des Kaskoanteils (in der Teilkaskoversicherung) an, in der Vollkasko kann der Preisnachlass ca. 10%-20% auf den Kaskoanteil betragen. Auch werden dem Versicherungsnehmer diverse freiwillige Leistungen angeboten, so z.B. ein Hol- und Bringservice, ein kostenloser Ersatzwagen oder die Fahrzeugreinigung. Bei Abschluss eines Neuvertrags wird oftmals "praktischerweise" der Haken bei der Werkstattbindung automatisch gesetzt. Doch mit diesen Tarifen kommt - von den meisten Kunden ersteinmal kaum bemerkt - die Verpflichtung, dem Versicherer die Regulierung des eigenen Schadens komplett zu überlassen. Im Kleingedruckten finden sich dann auch die Sanktionsmöglichkeiten, die die Versicherer sich gegenüber den Versicherten vorbehalten. So können die Versicherungen Kürzungen in Höhe von 10%-15% der Schadenshöhe bei der Wahl einer Nicht-Partnerwerkstatt vornehmen, diese Lücke ist dann von den Versicherungsnehmern zu füllen. Eine große Versicherungsgesellschaft ist sogar seit Anfang 2014 dazu übergegangen, sich das Recht zu sichern, die Leistungen "... ganz oder teilweise zu kürzen." Ob diese Klausel bestand haben wird, kann wohl nur die Zukunft zeigen.

Doch was ist denn nun das Problem, die Regulierung des eigenen Kaskoschadens der Versicherung - respektive der Partnerwerkstatt - in diesen Tarifen zu überlassen?

  • Bei fiktiver Abrechnung - d.h. bei Auszahlung des Schadens - erhält man nicht den vollen Schadensbetrag, sondern nur den Betrag, der bei Reparatur in der Partnerwerkstatt angefallen wäre. Das bedeutet: Durch die Werkstattbindung senkt man nicht nur seinen Kaskobetrag, man senkt gleichzeitig auch die von der Versicherung auszahlbare Kompensation. Somit bekommt man im Schadenfall weniger ausgezahlt, als einem eigentlich an Schaden entstanden ist.
  • Durch die eingeschränkte Werkstattauswahl kann es zu Problem gegenüber Dritten kommen. So trifft z.B. bei Leasingfahrzeugen der Leasinggeber - also der Eigentümer des Fahrzeugs - die Vorgaben über die berechtigten Werkstätten. Dieser hat das Interesse, das Fahrzeug innerhalb der ersten Jahre immer in einer Herstellerwerkstatt instandsetzen zu lassen und somit den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs zu erhöhen. Die Partnerwerkstätten der Versicherung sind aber manchmal keine Vertragswerkstatt des jeweiligen Kundenfahrzeugs.
  • Garantiebedingungen der Fahrzeughersteller oder der Fahrzeugverkäufer können durch die Reparatur in einer Partnerwerkstatt betroffen sein. Hier gilt es jedoch genau, das Kleingedruckte zu sondieren.
  • Unbekannte Arbeitsqualität: Der Versicherungsnehmer gibt sein Fahrzeug in die Hände einer Werkstatt, die er meistens nicht kennt, da sie oftmals in einem gewissen Radius um den Wohnort des Versicherungsnehmers liegen kann. Das gesamte Konzept der Werkstattbindung setzt auf Kostensenkung für die Versicherung und auf stark erhöhte Auftragsvolumina für die Partnerwerkstätten - kurz "Masse statt Klasse". Inwieweit hier die Qualität des Arbeitsergebnisses betroffen ist, ist natürlich schwierig vorherzusagen und je nach Partnerwerkstatt völlig individuell.

Fazit: Geld sparen bei gleicher Leistung scheint im Kaskobereich wohl kaum noch möglich zu sein. Bei Neuabschluß einer Kaskoversicherung gilt es genau auf das Kleingedruckte zu achten, vor allem wenn es um die Werkstattbindung geht. Hier sollte man vor allem klären, ob die Garantiebedingungen oder Vorgaben des Herstellers, Händlers oder des Leasinggebers (falls vorhanden) gegenüber dem eigenen Fahrzeug mit den Beschränkungen der Versicherungen in diesen Tarifen kollidieren. Eine kurze Recherche zu Tarifen mit Werkstattbindung bei mehreren Versicherungen (gleiches Fahrzeug, gleiche SF-Klasse) ergab eine Einsparung von ca. 13-50€ p.a. (TK mit 150€ SB) sowie 60-105€ p.a. (VK mit 300€ + TK mit 150€). Eigentlich nicht viel, denkt man an die Abzüge, die einem im Schadenfall bei fiktiver Abrechnung drohen bzw. bei eigenmächtiger Auswahl einer genehmen Werkstatt.

Ihr Team von
"Oliver Klinck - KFZ-Reparaturen"